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Kündigungsschutz bei Massenentlassungen

Ein Kommentar zum BAG - Urteil vom 21.05.08 (8 AZR 84/07) Welche Wirkung hat die Entlassungssperre des § 18 Abs. 1 KSchG?

 
Die Frage war lange Zeit umstritten und die Antwort offen. Genauer gesagt musste die Antwort Anfang des Jahres 2005 neu gegeben werden. Auslöser war das Urteil des EuGH vom 27.01.2005 – Rs. C-188/03 („Junk“) zur Auslegung der RL 98/59/EG („Massenentlassungs-Richtlinie“ – MERL). Nach Ansicht des EuGH ist unter dem Begriff der „Entlassung“ der Ausspruch der Kündigung zu verstehen. Die vom BAG mühsam entwickelte Konstruktion zu §§ 17 f. KSchG brach damit in sich zusammen. Das BAG ist der Rechtsprechung des EuGH zur MERL gefolgt und stellt seitdem in richtlinienkonformer Auslegung der kündigungsschutzrechtlichen Bestimmungen für die Entlassung i.S.d. § 17 Abs. 1 KSchG ebenfalls auf den Ausspruch der Kündigung ab (BAG, Urt. vom 23.03.2006 – 2 AZR 343/05; BAG, Urt. vom 21.05.2008 – 8 AZR 84/07). Damit war aber nur der erste und einfachste Schritt getan. Offen war jetzt unter anderem die Frage, welche Bedeutung nunmehr die Sperrfrist des § 18 Abs. 1 KSchG in dem neuen Konzept des Kündigungsschutzes bei Massenentlassungen haben sollte. Die Vorschrift des § 18 Abs. 1 Hs. 1 KSchG lautet: „Entlassungen, die nach § 17 anzuzeigen sind, werden vor Ablauf eines Monats nach Eingang der Anzeige bei der Agentur für Arbeit nur mit deren Zustimmung wirksam.“


Hierzu wurden unterschiedliche Auffassungen vertreten. Zum einen könnte der Ausspruch der Kündigung erst nach einem Zeitraum von einem, im Falle der Verlängerung der Sperrfrist gemäß § 18 Abs. 2 KSchG von zwei Monaten zulässig sein. Im Ergebnis wäre damit im Falle einer Massenentlassung die Verlängerung der Kündigungsfrist bei jeder einzelnen Kündigung um mindestens einen Monat verbunden. Zum anderen sollte die Vorschrift nicht den Ausspruch der Kündigung sperren, sondern lediglich den Beginn der Kündigungsfrist bis zum Ablauf der Sperrfrist hemmen (LAG Berlin-Brandenburg, Urt. vom 23.02.2007 - 6 Sa 2152/06). Das Ergebnis war dasselbe, nämlich ein um mindestens einen Monat verlängerter Bestand des Arbeitsverhältnisses. Demgegenüber wurde der Sperrfrist des § 18 KSchG nur noch die Funktion einer Mindestkündigungsfrist zugestanden (LAG Baden-Württemberg, Urt. vom 13.03.2008 – 12 Sa 54/07).

Das Bundesarbeitsgericht hat mit dem Urteil vom 06.11.2008 – 2 AZR 935/07 Klarheit geschaffen:
„Die Entlassungssperre nach § 18 Abs. 1 KSchG hindert weder den Ausspruch einer Kündigung nach Anzeige der Massenentlassung bei der Agentur für Arbeit während des Laufs der Sperrfrist nach § 18 Abs. 1 oder Abs. 2 KSchG noch verlängert die Sperrfrist die gesetzlichen Kündigungsfristen.“ Damit gesteht das BAG der Sperrfrist nur noch die Funktion einer Mindestkündigungsfrist zu und marginalisiert deren praktische Bedeutung. Dieser Aspekt wird vom BAG erkannt und ausdrücklich im o.g. Urteil hervorgehoben: „Dementsprechend werden von der „Sperrfrist“ nur solche Kündigungen unmittelbar erfasst, deren Kündigungsfrist kürzer als die Sperrfrist sind.“ Sie etabliert damit einen Mindestzeitraum bis zur Beendigung der Beschäftigungsverhältnisse, m.a.W. eine Mindestkündigungsfrist. Damit ist das BAG einer europarechtskonformen Konzeption der Kündigungsschutzes bei Massenentlassungen einen guten Schritt näher gekommen. Urteilsanmerkung von Dr. Martin Kolmhuber, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht,

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